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Bundestagswahl: Parteiprogramme aus Sicht der Pflege

Die Ausgangslage ist deutschlandweit bekannt. Es herrscht Pflegenotstand. Heißt also, wir haben zu wenig Pflegekräfte und zwar aktuell, aber vor allem für die Zukunft. Denn, dass in einer alternden Gesellschaft der Pflegebedarf immer weiter steigen wird, können sich auch Hobbystatistiker ausrechnen. Das Problem hat sich über Jahre angekündigt, ist jetzt akut und findet dennoch im Wahlkampf zur Bundestagswahl 2021 kaum statt. Woran liegt das? Haben die Parteien etwa keine Konzepte? In diesem Blogartikel beleuchten wir von ProSpiro Intensivpflege mal genau, was die Parteien im Hinblick auf die Pflege vorhaben.

Grafik mit Deutschlandkarte und Wahlkreuz

Was wollen die Parteien in der Pflege?

1.      CDU

Wir wollen gar nicht um den heißen Brei drum herum schreiben. Die CDU hatte 16 Jahre Zeit, um die Situation in den Krankenhäusern, in den Pflegeeinrichtungen, für die Patienten und für die Pflegfachkräfte und -helfer zu verbessern. Passiert ist das Gegenteil und obwohl Corona unser marodes Gesundheitssystem gnadenlos offengelegt hat, wurden in den letzten 2 Jahren weiterhin Krankenhäuser geschlossen. Jetzt hätte man im Parteiprogramm mal ein Konzept vorlegen und damit zeigen können, dass man das Problem erkannt hat und mit innovativen Ideen anpackt. Zu lesen sind aber nur die üblichen Schlagworte: Pflegeversicherung weiterentwickeln, ausländische Pflegefachkräfte einstellen und Arbeitsbedingungen verbessern. Kein Wort wie die CDU das umsetzen möchte und selbst wenn davon etwas umgesetzt wird, gibt es jetzt schon genug Stimmen, die diese Maßnahmen für komplett unzureichend halten.

Unsere Einschätzung: An dieser Stelle verweisen wir hier nochmal auf unseren Artikel „Jens Spahn und die CDU schaffen die häusliche Intensivpflege ab“. Wenn dieses Vorhaben tatsächlich nicht verhindert wird, dann werden Patienten und Pflegefachkräfte in die Heime gezwungen, in die sie gar nicht wollen. Während die Patienten keine Wahl haben, wird es sehr viel mehr Pflegefachkräfte als ohnehin schon geben, die ihren Job an den Nagel hängen.

 

2.      SPD

Die SPD saß die letzten 8 Jahre in der Regierung und hat die Politik mitzuverantworten. Doch im Gegensatz zur CDU präsentiert die SPD etwas mehr zum Thema Pflege in ihrem Parteiprogramm. Zum Beispiel soll eine Pflegebürgerversicherung, in die alle einzahlen, geschaffen werden. Der Eigenanteil von kleinen und mittleren Einkommen soll gedeckelt werden. Unterstützung sollen Erwerbstätige erhalten, die Angehörige pflegen. Für Pflegekräfte soll es einen Branchentarifvertrag geben und eine Personalbemessung.

Es gibt ein paar Ansätze die interessant sind. Doch ob der steigende Bedarf an Pflegefachkräften durch einen Branchentarifvertrag gelöst wird, darf stark bezweifelt werden. Wie das Ganze konkret finanziert werden soll, bleibt jedoch unbeantwortet.

Unsere Einschätzung: Es gibt Ansätze und irgendwo muss man anfangen. Laut Parteiprogramm hat die SPD das vor. Jetzt saß die SPD lange in der Regierung und hätte sich mit Engagement dem Thema widmen können. Passiert ist nichts. Es gibt nur 2 Parteien, die ähnliche Vorhaben wie die SPD haben: die Grünen und die Linke. Sollte die SPD die Nase vorn haben, wird es also auf den Koalitionspartner ankommen. Eine Regierung mit der CDU würde in der Thematik wohl für 4 weitere Jahre Stillstand sorgen.

 

3.      Die Grünen

Wie erwähnt liest sich vieles ähnlich zur SPD: Pflegebürgerversicherung, Personalbemessung, Tarif, Deckelung der Eigenanteile und Entlastungen bei der Pflege von Angehörigen. Zusätzlich möchten die Grünen die ambulante Pflege fördern und die 35-Stunden-Woche für Pflegefachkräfte einführen.

Unsere Einschätzung: Die Patienten sind angewiesen auf die Pflegefachkräfte. So schön eine 35-Stunden-Woche klingt, doch bereits jetzt kommen Überstunden schnell zustande bei Krankheit von Kollegen oder in der Urlaubszeit. Das könnte bei einer 35-Stunden-Woche zu einem Henne-Ei-Problem führen. Zudem ist der Pflegeberuf nach wie vor ein Frauen-Beruf, so dass viele Pflegekräfte aus familiären Gründen bereits nur in Teilzeit arbeiten. Arbeitgeber in der Pflege sind über jede Vollzeit-Pflegekraft froh, so dass es aus unserer Sicht mehr um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gehen muss. Ansonsten sehen wir das Vorhaben der Pflegebürgerversicherung als einziges sinnvolles Konzept für die Zukunft. Wie oben erwähnt, wird die SPD alleine wohl nichts in diese Richtung unternehmen und darum müssten die Grünen so viele Stimmen wie möglich sammeln.

 

4.      Die Linke

Auch die Linke möchte eine Pflegeversicherung, in die alle Menschen einzahlen. Dadurch sollen alle Leistungen ohne Eigenanteil abgedeckt werden. Ähnlich wie SPD und Grüne soll es einen Ausgleich für die Pflege Angehöriger geben und Tariflohn für Pflegekräfte. Als einzige Partei nennt die Linke konkrete Zahlen: Es soll 500 Euro mehr Lohn geben und dadurch 100.000 Pflegefachkräfte gewonnen werden. Die ambulante Pflege soll auch über mehrere Träger möglich sein und auch hier soll der Tarif gelten.

Unsere Einschätzung: Ähnlich wie bei den Grünen muss das Anreizsystem, um in der Pflege zu arbeiten, kritisch gesehen werden. Wie Lohnerhöhungen bei gleichzeitiger Deckelung der Eigenanteile konkret finanziert werden sollen, bleibt völlig offen. Ob man so dauerhaft 100.000 Pflegefachkräfte mehr gewinnt, ist fraglich. Es gibt viele Überschneidungen zu SPD und Grünen.

 

5.      FDP

Die FDP möchte die aktuelle Pflegeversicherung um eine kapitalgedeckte Säule (also privat oder betrieblich) erweitern. Es soll für jede Person ein Pflegebudget pro Monat geben. Wie hoch das sein soll, erfährt man nicht. Die Pflegeausbildung soll reformiert werden z.B. zu einem dualen Studium.

Unsere Einschätzung: Wer sich mit dem Thema Berufsunfähigkeitsversicherungen auskennt, der weiß, dass eine private Vorsorge für Risikogruppen nicht über den Markt funktioniert. Die Partei nennt keine konkreten Zahlen und erhofft sich durch eine Pflegeausbildung als Studium, mehr Leute in die Pflege zu lenken. Die Akademisierung des Pflegeberufes wird jedoch nicht zu mehr Pflegefachkräften am Patientenbett führen. Davon mal abgesehen, dass sehr viele fähige Pflegefachkräfte kein Abitur besitzen, kann man das was die Partei in ihrem Programm aufführt nicht als nachhaltiges Konzept bezeichnen.

 

6.      AFD

Die AfD möchte Kranken- und Pflegeversicherung zusammenlegen. Die häusliche Pflege soll gefördert, Personaluntergrenzen und Tarifverträge eingeführt werden. 

Unsere Einschätzung: So schön einige Forderungen der Partei klingen, es mangelt im Bereich Pflege an einem konkreten, schlüssigen Konzept, wie das umgesetzt werden soll.

 

7.      Die Partei

Im Wahlprogramm der Partei gibt es einen Passus zum Thema Pflege, den wir hier direkt zitieren wollen:

Pflegemangel und Überlastungsfolgen bei professionell Pflegenden werden per Rotationsmodell reguliert: Durch Überlastung arbeitsunfähig gewordene Pflegefachpersonen werden zu Patienten und wieder zu Pflegefachpersonen und wieder zu Patienten und wieder zu Pflegefachpersonen … Dank des ausgeklügelten Finanzierungssystems neuer Pflegefachstellen über die Krankenkassen generieren die betroffenen Pflegefachpersonen so auch einen angemessenen Anteil ihres Gehaltes, welches sie gleich wieder an die Krankenkassen zurückführen können.“

Unsere Einschätzung: So lustig (oder traurig) das jetzt vielleicht klingen mag, aber das Konzept ist schlüssiger als von CDU und FDPJ

 

Fazit: Allgemein lässt sich festhalten, dass keine Partei ein durchdachtes Konzept gegen den Pflegenotstand hat. Mehr Geld, weniger Arbeitszeit, Tarifvertrag und Co. lesen sich auf Papier gut, werden in der Realität das Problem nicht lösen.

Die einzigen Parteien, die zumindest Ideen haben, wie man in die Richtung positiv beeinflussen kann, sind SPD, Grüne und die Linke. Wie erwähnt glauben wir nicht, dass die SPD in einer Koalition mit CDU/FDP davon etwas umsetzen wird. Rein taktisch müsste man aus Sicht der Pflege sein Kreuz bei den Grünen oder der Linken setzen. Allgemein können wir aber sagen, alles ist besser als ein weiter so, alles ist besser als die CDU zu wählen.

Unsere Vorschläge zum Thema Pflegenotstand

Da wir aber nicht bloß über die aktuellen Verhältnisse meckern wollen, haben wir auch eigene Vorschläge:

1.      Eine Bürgerversicherung, in die alle einzahlen ist zu wenig. Aktuell gibt es 105 Krankenkassen, die vom Gesetzgeber vorgeschrieben faktisch genau die gleichen Leistungen anbieten. Man könnte allein Milliarden an Verwaltungskosten für diese 105 Krankenkassen sparen, wenn es in Deutschland wie bei der gesetzl. Rentenversicherung nur eine Krankenkasse gäbe. Andere Länder fahren damit sehr gut, wie Schweden und Australien.

2.      Wir leben in der europäischen Union. Wie kann es sein, dass ausländische Pflegedienste ihre Leistungen in Deutschland nicht abrechnen dürfen? Gerade in Grenzregionen würde man sehr schnell zu neuen Pflegediensten mit neuen Pflegekräften kommen.

Wir hoffen, wir konnten aus Sicht der Pflege die Lage kurz und übersichtlich zusammenfassen. Außerdem freuen wir uns, wenn der ein oder andere diesen Blogbeitrag bei seiner Wahl am Sonntag mit einbezieht.

Euer Pro-Spiro-Team

 

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